Es geht wieder auf die Reise – im Zug nach Prag
19.06.2021 11:03 – Mit einem leisen Rattern setzt sich der Regionalexpress nach Hamburg in Bewegung. Drinnen ich, 33 Jahre, gerade meinen letzten Job gekündigt und in freudiger Erwartung auf ein Wiedersehen mit der Stadt die ich vor knapp 4 Jahren in etwas unglücklicher Erinnerung behielt, Prag. Damals hatte ich mir mit 2 Städten innerhalb von 1 Woche etwas viel vorgenommen. Eine dicke Erkältung machte Prag im Winter damals zur Tortur.
Nun 3 Jahre später will ich es noch einmal probieren. Statt mit dem Flugzeug aus Nachhaltigkeits- und Preis-Gründen mit dem Eurocity der tschechischen Bahn ab Hamburg. Die Waggons unterscheiden sich dabei nicht wesentlich von denen der DB, lediglich die Abteildichte erscheint mir etwas höher.
Apropos Abteil – In meinem Abteil hat es sich bereits eine sächsische Reisegruppe gemütlich gemacht, die sich freudig über die neuen Möglichkeiten und die Reisefreiheit nach dem Mauerfall austauscht. Der Schaffner, ebenfalls Sachse, trägt eines dieser transparenten Plastik Visiere an Stelle einer Maske und sieht damit ein wenig wie Darth Vader aus. Währenddessen dürfen wir anderen Fahrgäste uns mit FFP2 Masken begnügen, bei 8 Stunden Fahrtdauer keine schöne Aussicht. Der beste Weg es über die Zeit zu schaffen befindet sich nur einen Wagon weiter – der Speisewagen. Wer isst und trinkt muss dabei keine Maske aufsetzen, Gesundheitsminister hassen diesen Trick.
Knödelexpress
Ohne Mittagessen treibt mich der Hunger genau dort hin. Im Speisewagen, der mit seinen knallroten Lederpolstern und den kleinen Lampen an den Tischen irgendwie an die tschechisch rustikale Version des Orient Express erinnert, ist es ruhig. Die Kellner laufen fröhlich pfeifend durch den Gang und erzeugen dabei eine Gemütlichkeit, die eher an ein altes Gasthaus erinnert als einen ratternden Zug.
Noch ein Biiieer?
Jaroslav, Kellner im Speisewagen
Nicht ohne Grund wird der Eurocity nach Prag auch liebevoll Knödelexpress genannt. Die traditionellen böhmischen Knödel mit Lendenbraten und dem obligatorischen, frisch gezapften Pilsner Urquell lassen schon unterwegs Urlaubsstimmung aufkommen. Wer kann da nein sagen, wenn der Kellner nach 5 Minuten vorbeikommt, grinst und mit wunderbarem Akzent nach weiteren Wünschen fragt, während die schöne Landschaft am Fenster vorbeifliegt.
Grenzüberschreitung
So gut verpflegt vergeht die Zeit zur Grenzstation Bad Schandau wie im Fluge. Gespannt warte ich im Abteil auf den Grenzübertritt. Dank Corona ändern sich die Reiseregeln in atemberaubender Geschwindigkeit.
Gestern war zur Einreise nach Tschechien noch ein max. 24 Stunden alter Antigentest notwendig, den habe ich mir am Abend zum letztmöglichen Zeitpunkt noch geholt. Leider haben wir beim Grenzübertritt bereits eine Verspätung angesammelt, die droht das 24 Stunden Limit zu reissen. Dementsprechend angespannt sitze ich im Zug während ich das Testergebnis, das mir die Reise-Freiheit garantiert, fest umklammere. Dann Grenzübertritt und es passiert.. Nichts! Keine Kontrolle, keine Grenzbehörden weit und breit(nochmal Danke Europa). Niemand interessiert sich auch nur einen Hauch für meinen sorgsam gefalteten Testbogen. Anscheinend haben sich die Regeln schon wieder geändert, diesmal zum Besseren.
Der Zug passiert die Grenze komplett ereignislos und rumpelt leise weiter in Richtung Prag. So friedlich wie die Sonne am Horizont untergeht, so gemütlich läuft unser Zug nach 8 Stunden Fahrt schließlich am Hauptbahnhof Prag ein.
Zufrieden geht es schließlich vom Hauptbahnhof ins Prager DreamHostel, das für die nächste Woche meine Heimat sein wird. Das Hostel liegt etwas versteckt in einer kleinen Seitenstraße des berühmten Wenzels Platz und teilt sich die Gasse mit einem Sauna- und einem Stripclub.
Beim Check-In des Hostels machen sich dann doch nochmal die Corona-Verordnungen bemerkbar, der Zutritt zum Checkin ist neuen Gästen nur mit Maske gestattet. Dann gilt es einen aktuellen Corona-Test vorzulegen, der max. 48 Stunden alt sein darf. Endlich kann ich meinen gut gehüteten Test zum Einsatz bringen und darf nach Kontrolle des negativ Ergebnisses die Maske abnehmen und mich von nun an frei im Hostel bewegen.
Fazit
Ich hätte nicht gedacht, das bei der großen Welle bzgl. Corona Maßnahmen, am Ende die einzige Kontrolle die im Hostel sein würde. Im Vergleich zur Anreise per Flugzeug, habe ich kaum Zeit verloren, im Gegenteil. Alles zusammengerechnet habe ich mit der Zugfahrt sogar etwas Zeit eingespart. Mal ganz abgesehen von der Freiheit eigene Getränke einzupacken und der angenehmen Atmosphäre im Boardrestaurant(echtes Besteckt, frisch gezapftes Bier). Beides macht die Zugfahrt zur echten Alternative für Reisen innerhalb Europas. Zugegeben, das hat auch ein wenig mit der, durch den Kollaps der Flugreise-Industrie verursachten, Preisgestaltung zu tun. Das Bahnticket Hin-und-Zurück Bremen-Prag hat mich etwa 80€ gekostet. Eine vergleichbare Flugreise lag bei ganzen 250€. Die Preisgestaltung darf für mich gerne so bleiben. Dazu noch der Ausbau des Nachtzug-Angebots und wir kommen vielleicht bald in eine zweite goldene Zeit der Eisenbahn.
Wie sind eure Erfahrungen zu Bahnreisen durch Europa? Seid ihr alte Interrail-Hasen oder sammelt doch lieber Vielfliegermeilen? Schreibt es unten in die Kommentare.
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