Ein Tag des Grauens in S21 und den Killing Fields

Ein Tag des Grauens in S21 und den Killing Fields

Vergleicht man die Geschichte von Kambodscha mit der Deutschlands um die 1930er Jahre entdeckt man einige Parallelen. In den 70er Jahren regierten Diktator Pol Pot und seine Roten Khmer das Land mit eiserner Hand. Millionen von Kambodschanern wurden schon für geringste Kritik am Regime in Straflagern wie S21 interniert. Dort hat man sie solange gefoltert, bis sie ihre vermeintlichen Vergehen gestanden und ihre Familien und Freunde ans Messer geliefert haben. Viele von ihnen starben schon in den Gefängnissen wie S21. Wer die Folter überlebte und ein Geständnis unterschrieb, wurde in einem Killing Field wie Choeung Ek brutal hingerichtet.

Eines der berühmtesten dieser Killing Fields, genannt Choeung Ek, befindet sich in Phnom Penh. Zusammen mit dem Tuol Sleng Gefängnis bildete es ein Zentrum des Terrors und der Vernichtung für hunderttausende Kambodschaner. Heute habe ich die beiden Orte besucht und mir ein Bild der damaligen Verhältnisse gemacht.

Choeung Ek – Killing Field

Choeung Ek sieht von außen wie ein Park oder ein Parteigelände aus, das war von der damaligen Angka Regierung so gewollt. Niemand sollte erfahren, was in dort wirklich vor sich geht. Laute Musik Tag und Nacht ließ die Schrecken von Choeung Ek für Außenstehende wie ein großer Parteitag anmuten.

In Wahrheit hat man dort nicht gefeiert, sondern grausam gemordet. Kambodschaner wurden dort zusammengepfercht auf Lastwagen angeliefert, brutal hingerichtet und in Massengräbern verscharrt. Irgendwann reichten die Kapazitäten nicht mehr aus, um die Lastwagen abzufertigen. Also kettete man  die Gefangenen in Baracken an, bis ihre Zeit gekommen war.

Nachts mischte sich für die Gefangenen der Lärm der Dieselaggregate mit der krachenden Propagandamusik und den Schreien der Opfer zu einer Kakophonie des Terrors. Um Kugeln zu sparen, nutzten die Mörder des Regimes Alltagsgegenstände wie Metallstangen, Knüppel und Schaufeln um ihre Opfer zu töten. Kleinkinder wurden teils vor den Augen ihrer Mütter getötet und in die Gruben geworfen. Ihren Mütter stand kurz darauf das selbe Schicksal bevor.

Choeung Ek heute

Mittlerweile sind Jahrzehnte seit dieser grausamen Zeit vergangen, doch noch immer spült der Regen Kleidungsstücke und Knochenfragmente der Opfer an die Oberfläche. Die Massengräber sind eingesackt und im zur Gedenkstätte gewordenen Choeung Ek als Mulden im Gras immer noch sichtbar. Die alten Gebäude wurden nach dem Ende der Diktatur abgerissen, an ihrer Stelle stehen nun Gedenktafeln, die an die Geschichte dieses Ortes erinnern.

Der Besuch von Choeung Ek war eine wirklich bedrückende Erfahrung, insbesondere der exzellente Audio-Guide macht die Geschichte auch ohne die alten Baracken erfahrbar.

Tuol Sleng

Anschließend fuhr ich weiter an einen der Orte, von dem aus Menschen nach Choeung Ek geschickt wurden. Die Rede ist vom Tuol Sleng Museum, das damals als S21 Prison traurige Berühmtheit erlangte. Ursprünglich eine Grundschule, wurde Tuol Sleng von den Roten Khmer zu einem der schlimmsten Foltergefängnisse der kambodschanischen Geschichte umgebaut.

Dort hat man die Gefangenen unter Folter zu Geständnissen gezwungen, anschließend verurteilt und zur Hinrichtung nach Choeung Ek geschickt. Viele schafften es nicht soweit und starben bereits unter dem Einfluss der Folter und der hygienischen Zustände in S21.

Besuch im Museum

Der Besuch im ehemaligen S21 Prison war für mich eine sogar noch beeindruckendere, weil direktere Erfahrung als der Besuch des Killing Fields davor. Vieles hat man so belassen wie es damals aufgefunden wurde. Der Stacheldraht vor den Fenstern, das getrocknete Blut der Gefangenen am Boden, die Folterinstrumente, es ist alles noch da. Wo Choeung Ek abstrakt bleibt und mit Tafeln der Opfer gedenkt, prügelt S21 die harte Realität in die Köpfe der Besucher – Menschen können grausam sein. Diesen Menschen blickt man ein paar Räume später in ihre Gesichter, wo hunderte von Porträts der Wärter und der Gefangenen ausgestellt sind.

Im Blick der Gefangenen meint man dabei teils sogar Hoffnung zu erkennen, weil ihnen noch nicht klar war, was passieren würde. Währenddessen sind die Gesichter und Blicke der Wärter leer. Das Grauen das sie verrichteten, hat ihnen ihr Selbst genommen und sie zu reinen Marionetten des Regimes werden lassen.

Der Effekt den ein Besuch dieser Gedenkstätten heute noch hat, lässt sich sehr gut an der Geräuschkulisse verdeutlichen. Egal mit welcher Stimmung man Tuol Sleng betritt, beim Verlassen sagt niemand mehr ein Wort. Auch hier hat der wieder einmal exzellente Audio-Guide den Ort erfahrbar gemacht. Mehrmals musste ich mich selbst erstmal auf eine der Bänke vor den Gebäuden setzen und das Gesehene verarbeiten, bevor ich weiter durch die Ausstellung gehen konnte.

Tuol Sleng und Choeung Ek, haben mir das hässliche Potential der Menschheit nochmals vor Augen geführt. Ich bin froh, dass meine Freunde in Kambodscha nicht mehr unter der Diktatur der Roten Khmer leben müssen. 

Kommentare sind geschlossen.